Feiern wir 2020 ein Ulrichs-Jubiläum?

Karl Heinrich Ulrichs war ein Vorkämpfer für Homosexuellenrechte

Der deutsche Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch bezeichnete ihn einst als „ersten Schwulen der Weltgeschichte“: Karl Heinrich Ulrichs war einer der bedeutensten Vorkämpfer für die Rechte von Homosexuellen – und er kam aus „Niedersachsen“.

Am 28. August 1825 wurde Ulrichs im ostfriesischen Westerfelds (heute Stadtteil Kirchdorf in Aurich) im damaligen Königreich Hannover geboren. Der Jurist war kurzzeitig im Staatsdienst tätig. Nachdem aber 1854 Ermittlungen gegen ihn wegen „widernatürlicher Wollust mit anderen Männern“ eingeleitet wurden, ließ er sich in Burgdorf bei Hannover als Anwalt nieder. Kurze Zeit später wurde aber ein Berufsverbot gegen ihn erwirkt. Seitdem schlug er sich als Journalist durch.

Die Erfindung der Urninge
1864 veröffentliche Ulrichs seine erste von einem Dutzend Abhandlungen über die mannmännliche Liebe. Weil es das Wort „Homosexualität“ noch nicht gab (der Begriff „homosexuell“ wurde erst rund 50 Jahre später geprägt) und man eher von Päderasten oder Sodomisten sprach, erfand Ulrichs den Kunstbegriff der Urninge. Dabei beruft sich der gelehrte Mann auf die griechische Mythologie. In Platons Symposion ist von den zwei Formen der Liebesgöttin Aphrodite die Rede. Auf der einen Seite gebe es Aphrodite Dionea, die Tochter von Zeus und Dione. Sie stand in Ulrichs Auslegung für die verschiedengeschlechtliche Liebe. Auf der andere Seite ist von Aphrodite Urania die Rede, die aus abgetrennten Körperteilen des Uranus entstanden sein soll. Ulrichs sah hierin die eigen- oder gleichgeschlechtliche Liebe.

Aus dieser Überlegung heraus leitete Ulrichs ab, dass homosexuelle Menschen von ganz anderer Natur seien als heterosexuelle. Deshalb könne auch nicht von einer „widernatürlichen“ Handlung die Rede sein, wenn zwei Männer (also Urninge) oder zwei Frauen (diese nannte er Urninde) miteinander verkehrten. Auch die „urnische Ehe“ hatte Ulrichs schon gefordert. Doch mit all seinen Konzepten und Ideen konnte er sich nicht durchsetzen.

Eklat beim Juristentag
Zum Eklat kam es, als Ulrichs am 29. August 1867 beim Deutschen Juristentag in München einen Antrag zur Entkriminalisierung der einvernehmlichen Homosexualität einbringen wollte. Kurz nachdem Ulrichs mit seinen Ausführungen begonnen hatte, wurde es unruhig unter den Juristen. Es gab erhebliche Proteste. Trotz formaler Fehlerfreiheit wurde Ulrichs Antrag abgebügelt und verschwand schließlich in der Versenkung.

Dorthin trieb es letztlich auch Ulrichs selbst. Im Juli 1895 verstarb er in Italien „verbannt und arm“ wie seine Freunde in lateinischer Sprache in seinen Grabstein eingravieren ließen.

Im kommenden Jahr jährt sich sein Todestag nun zum 125. Mal. Mehr als ein Jahrhundert war Ulrichs in der Wahrnehmung der Deutschen verschwunden. Für seine Ideen und seinen Mut sollten wir sein Andenken ehren.


Gedenkorte in Niedersachsen
Die erste öffentliche Ehrung erfuhr Karl Heinrich Ulrichs im Jahr 1997. In Göttingen wurde an der Adresse Am Markt 5 eine Gedenktafel für den Juristen angebracht, der dort von 1844 bis 1845 gewohnt hatte.

Im Jahr 2006 wurde eine Straße in Hannover Mitte nach Ulrichs benannt. Die Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße befindet sich zwischen Kaufland und dem neuen DB-Gebäude auf der Rückseite des Hauptbahnhofes.

In seiner Geburtsstadt Aurich wurde Ulrichs 2014 eine Ehrung zuteil. Anlässlich der ersten CSD-Demonstration wurde (in Anwesenheit der damaligen Sozialministerin) ein Platz nach ihm benannt.

Die jüngste Auszeichnung erfuhr Ulrichs im Jahr 2016. Da brachte die zuständige Superintendentin im evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Burgdorf eine Gedenktafel an der Superintendentur an. In diesem Haus lebte Ulrichs von 1835 bis 1839 und von 1842 bis 1844 bei seinem Großvater Johann Heinrich Heinrichs, der selbst Superintendent in Burgdorf war.

Inhaltsverzeichnis
Nach oben