Blutspende für Schwule bleibt kontrovers

Sollte die Richtlinie Hämotherapien überarbeitet werden?

Foto: Pixabay.com
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Blutkonserven sind lebenswichtig und aktuell besonders selten. Doch Männern, die Sex mit Männern haben, sowie Transsexuellen wird die Möglichkeit, Blut zu spenden, besonders schwer gemacht. Mit offenbar vorurteilsbehafteten Argumenten in Bezug auf das Sexualverhalten dieser Gruppen werden sie laut Richtlinie der Bundesärztekammer von der Blutspende ausgeschlossen oder mit einer besonders langen Abstandszeit belegt – schwule Männer müssen zwölf Monate enthaltsam gelebt haben. Im politischen Raum wird auch aufgrund der Corona-Pandemie wieder intensiv über diese Praxis diskutiert. Das sind die wichtigsten Positionen:

Bundesregierung:

Mit dem „Zweiten Bevölkerungsschutzgesetz“, das im Volksmund auch Corona-Gesetz genannt wird, hat der Bundestag Ende Mai auf Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auch einen entscheidenden Passus im Transfusionsgesetz geändert. Darin wird die Bundesärztekammer, die mit die Ausgestaltung der Hämotherapie-Richtlinie beauftragt ist, nun eindeutig aufgefordert, die Rückstellung bestimmter Personengruppen bei der Blutspende regelmäßig zu überprüfen. Dabei sei auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse Rücksicht zu nehmen.

Bundesärztekammer:

Seit 1998 regelt das Transfusionsgesetz, dass die Bundesärztekammer die Kriterien für die Blutspende aufstellen soll. Dass nun im Zuge des Bevölkerungsschutzgesetzes auch eine Änderung am Transfusionsgesetz vorgenommen wurde, kritisierte die Bundesärztekammer im Gesundheitsausschuss des Bundestags scharf. Die Richtlinie sei aktuell, behauptet die Kammer und stellt in einer Stellungnahme fest: „Die Richtlinie Hämotherapie stellt – gerade auch mit Blick auf die schmerzlichen Erfahrungen der 1980er-Jahre mit dem sog. ‚HIV‐ Skandal’ – die Sicherheit der Spender wie auch der Empfänger von Blut und Blutprodukten sicher.“

Lesben und Schwule in der Union:

LSU-Chef Alexander Vogt erklärt: “Die Änderung des Transfusionsgesetzes eröffnet zwar erstmals die Möglichkeit beim Vorliegen neuer medizinischer oder wissenschaftlicher Erkenntnisse zu überprüfen, ob der Ausschluss oder die Rückstellung bestimmter Personengruppen noch erforderlich ist. Insgesamt ist dies aber keine Garantie für den Abbau noch bestehender Diskriminierung.” Der Bundesverband der Lesben und Schwulen in der Union sieht in der im Gesetz vorgesehenen regelmäßigen Überprüfung der Risikobewertung einzelner Spendergruppen zwar zunächst eine wichtige Klarstellung, ob diese jedoch zielgerichtet im Sinne des Abbaus noch bestehender Diskriminierung von schwulen und bisexuellen Männern als Spendergruppen wirke, müsse sich auf Basis dieser Neuregelung in der Praxis beweisen. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass die Regelung ins Leere laufe.

Junge Union Deutschlands:

Rückendeckung von der JU: Anlässlich der Bundestagsdebatte zum Bevölkerungsschutzgesetzes veröffentlichte die JU in den Sozialen Netzwerken folgende Positionierung: „Heute debattiert der Deutsche Bundestag über die Frage, ob Homo- und Transsexuelle beim  Blutspenden diskriminiert werden. Als Junge Union haben wir dazu bereits vor langer Zeit einen Beschluss gefasst: Wir wollen, dass niemand aufgrund seiner Sexualität generell von der Blut-, Plasma- und Stammzellenspende ausgeschlossen wird. Die aktuelle Gesetzeslage erlaubt Homo- und Transsexuellen zwar die Blutspende, allerdings müssen diese Menschen dafür ein Jahr auf Sex verzichten. Wir sagen, das geht an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei. Deshalb fordern wir, die Richtlinie so anzupassen, dass das individuelle Verhalten entscheidet. 

Niedersächsischer Landtag:

Ein breites Bündnis der demokratischen Parteien im niedersächsischen Landtag hat sich darauf geeinigt, sich gegen die diskriminierende Praxis bei der Blutspende einzusetzen. Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Petra Joumaah, sagt dazu: „Wir alle wissen, wie wichtig ein ausreichender Vorrat an Blutkonserven ist, um im Notfall Leben retten zu können. Allerdings stellen wir fest, dass es immer wieder zu Engpässen bei der Blutversorgung kommt – auch, weil jedes Jahr mehr aktive Blutspender ausscheiden als neu hinzukommen. Deshalb können wir es uns unter keinen Umständen erlauben, auf nur einen einzigen Spender zu verzichten. Individuelles sexuelles Risikoverhalten soll und muss selbstverständlich auch zukünftig zum Ausschluss von Blutspendern führen. Die bestehende Diskriminierung potentieller Blutspender aufgrund ihrer sexuellen Identität lehnen wir hingegen ab.“ 

CDU/CSU-Bundestagsfraktion:

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion folgt der Einschätzung aus Niedersachsen noch nicht. In der jüngsten Plenardebatte zu diesem Thema sprachen für die Union Rudolf Henke und Emmi Zeulner. Beide argumentierten dafür, sich mit der im Bevölkerungsschutzgesetz festgeschriebenen Formulierung zu begnügen. Henke erinnerte an die Genese des Transfusionsgesetzes als Ergebnis einer ausführlichen parlamentarischen Beratung in den 1990ern, in der die Aids-Krise aufgearbeitet worden sei. Das wichtige Ergebnis: Wer zur Blutspende zugelassen wird, sei keine politische Entscheidung, sondern eine wissenschaftliche, medizinische, epidemologische Entscheidung, die von der Bundesärztekammer und vom Paul-Ehrlich-Institut zu treffen sei. Zeuler sagte, sie wolle weg von einer „Gefühlsdebatte“ und hin zu einer wissenschaftlich-medizinischen und zitierte die statistisch höhere HIV-Infektionsrate bei Männer, die Sexualkontakte mit Männern haben. Beide zeigten sich aber offen, aufgrund von wissenschaftlichen Erkenntnissen die Hämotherapie-Richtlinie lockern zu lassen. „Ich stimme Ihnen aber in dem Punkt zu, dass, wenn wir die medizinischen Bedenken ausräumen können, wir eine weitere Öffnung des Spenderkreises erreichen müssen, zum Wohle des Bedarfs an Blutspenden“, so die CSU-Abgeordnete.

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